Der dunkle See, die alten Geschichten: Wolftäler Wanderdreierlei, mystisch, sagenhaft

Wolftaeler Wanderdreierlei Schwarzwaldguide 2

09.10.2016

Das neue Wolftäler Wanderdreierlei bietet mehr als Wandern:

Es gibt Touren mit Aussicht, Touren mit Genuss, Touren mit Fackeln und die heutige, mystisch-sagenhafte Tour, die Erzählungen verspricht und Überraschungen. Das Wetter ist schon mal mystisch, es regnet leicht, die Wolken hängen tief, ideal also für eine Wanderung zum dunkeln, versteckt liegenden Glaswaldsee im Wolftal, Orteil Bad Rippoldsau-Schapbach.

„Hoffentlich sind wir nicht die Einzigen Gäste bei diesem unwirtlichen Wetter“, denken noch mein Mann und ich. Doch weit gefehlt: Insgesamt 18 Personen treffen sich am Parkplatz, alle gespannt auf die Geschichten von Billy Sum-Herrmann, ihres Zeichens Schwarzwald-Guide und weithin bekannt für ihre unterhaltsamen und informativen Führungen.

Die Führung beginnt gleich damit, dass wir stehen bleiben auf dem Waldparkplatz, denn schon hier hat Billy Fakten parat: 840 Meter hoch liegt der Glaswaldsee, er hat einen Durchmesser von 220 Metern, ist 11 Meter tief und wird gespeist von unterirdischen Quellen. Entstanden ist er in der letzten Eiszeit, vor ca. 40 Mio Jahren, ausgehobelt aus dem Buntsandstein und heute einer der sieben Karseen im Schwarzwald. Der Glaswaldsee stellte früher die Grenze dar zwischen dem Fürstenberger Land und Baden.

Und sie belehrt uns, dass der Wald um uns herum eigentlich ein Forst ist, denn er ist von Menschenhand geschaffen. Sie erzählt von Glasmachern, die den Wald abgeholzt haben, von Flößern, die die Stämme bis nach Amsterdam geschafft haben, von der daraus resultierenden fast vollständigen Abholzung im 18. Jahrhundert.

Nun geht also zu Fuß los, bergauf, Richtung Wolken. Und wieder einer dieser Billy-typischen, sehr unterhaltsamen Infoblöcke: Farn wurde in die Ställe mit eingestreut - hält Ungeziefer ab, Spitzwegerich - hilft gegen Insektenstiche und Brennnessel. Na, zum Glück, wenigstens die letzten Fakten habe ich auch gewusst. Dann die Eberesche, habe ich für giftig gehalten, soll ein Abwehrzauber gegen böse Mächte sein. Ob das die NSA abgehalten hätte? Oder der Holunder - hilft je nach Verarbeitung gegen Verstopfung oder wirkt abführend, genau wie die Heidelbeere. Die soll auch gegen Nachtblindheit helfen, haben die Kampfflieger im zweiten Weltkrieg bekommen. Aber nicht nur von Pflanzen weiß die schlanke, drahtige Frau zu berichten, auch das Harz der Bäume sei wertvoll gewesen und die Abfallprodukte aus deren Verarbeitung, z.B. Teerwasser, das Farbe zum Schreiben und Drucken hergab. Weißdorn, eine Beere, wurde verarbeitet als Herzmittel, aber auch als Schnaps. „Du weisch‘ jo, worum mer om Morge a Schnaps drinke soll, odder?“ - Keiner weiß es natürlich - „Ja klar, dass d’e Maage nicht verschrickt, wenn’s Wasser hinterher kummt.“ - Einleuchtend.

Zwischenzeitlich haben wir den See erreicht, dunkel liegt das Wasser vor uns, dunkel die Wälder drumherum, da sind Geschichten von Geistern völlig glaubwürdig. Wenn es sonst auch keine Geister geben sollte, hier kann man es sich vorstellen. Und Billy macht gleich weiter und zieht aus dem Rucksack eine Astgabel die sich als veritable Wünschelrute entpuppt. Auch ein Freiwilliger für den Wünschelruten-Kurs ist schnell gefunden. „Konzentrier‘ Dich, dann wirsch das Zucken schnell spüren…“ - er geht los, sanft schubst ihn Billy in die richtige Richtung - „jetzt merk’sch es, gell?“ - der Kandidat nickt wenig glaubwürdig - und findet doch hinter dem Baum unter großem Hallo der Gruppe das Wasser, ein Kirschwasser, praktischerweise in der Flasche und optimal um die Kühle und Feuchtigkeit zu vertreiben.

Jetzt redet sich die kleine Frau mit dem großen Wissen richtig warm. Zuerst die Geschichte mit dem Hirtenbub, der ein Fräulein auf dem Wasser sah, eine Nixe mit wallendem Haar, die auf einer Harfe gespielt hat. Sie lockte den Jüngling, versprach ihm das Paradies. „Der war ganz durcheinander, er hat ja noch nie eini oben rum Näckige g’sehe“, klar sei er ihr gefolgt - und sei nie mehr gesehen worden. Das Vieh aber sei auf die badische Seite gewandert zum Fressen, das hat den Bauer aber nicht traurig gestimmt, denn gemolken hat er es auf Fürstenberger Seite. Ob er traurig war ob des Verlusts des Hirtenbubs ist nicht überliefert.

Vor lauter gespanntem Zuhören ist uns völlig entgangen, dass Micky, Billys Ehemann, zwischenzeitlich ein Schwarzwälder Vesper auf einem Stein angerichtet hat. Bei Speck, Würsten, Käse und Brot lauschen wir dieser so begabten Geschichten-Erzählerin, die uns mit lebhaften Gesten und Mimik die alte Zeit näher bringt.

Ja ein Schloss sei hier gestanden, „genau do“. Billy erzählt vom Schlossherrn, herrschsüchtig, brutal und mit sieben Töchtern geschlagen, ohne Sohn. Sechs dieser Töchter waren wie der Vater, nur eine war gutmütig und hat den Schapbachern Almosen gebracht. Einmal, als die Tochter wieder im Tal war, gab es dann ein mächtiges Gewitter „so viehmäßig, dass die Teller im Küche-Känschterle klappert hen“. Und als das Mädchen wieder heim kam, war das Schloss weg, samt Schlossherrn und sechs Schwestern. Da weinte das Mädchen und die Tränen füllten den See, sie weinte derart herzerweichend, dass ein Wolf aus dem Wald kam und ihr zeigte, wo sie fortan mit ihm leben könne. Und jeden Tag brachte ein Rabe zwei Laib Brot, einen für das Fräulein, einen für den Wolf. Doch auch Fräuleins müssen sterben, und als ihre Zeit gekommen war, kuschelte sich der Wolf an sie und die Felsen schlossen sich um sie herum. „Do hinte steht der Stein, ich kann ihn euch zeige…“

Und noch mehr weiß sie, sie erzählt von einem Menschenfresser, wahrscheinlich einem Wolf, der von einem hilfsbereiten Mädchen von seiner Sucht geheilt wurde und sich fortan vegetarisch, wenn nicht gar vegan ernährte. Sie kennt Geschichten von den Flößern, die von hier aus Holz ins Tal geschafft haben, über Riese (eine Art Rutschbahn für Holz) oder mit der Triftflößerei (wo Stämme lose in den Bach geworfen wurden), beides hoch-gefährliche Jobs für unerschrockene Männer. Sind die auch ausgestorben, wie die Wölfe oder die Flößerei?

Zum Schluss erzählt sie noch von den Gesteins-Arten und sie mahnt uns, ja keine Steine in den See zu werfen, denn das verursacht Unwetter und außerdem sollen wir bedenken, dass da ja noch das versunkene Schloss sei ….

Sie trägt das alles mit völlig ernster Miene vor, sie versetzt uns Verstandes-Menschen in eine Stimmung, die uns das alles glauben lässt, fast erwarten wir, dass gleich aus dem Unterholz irgendetwas auftaucht. Und dann: Wechsel der Stimmlage, sie spricht jetzt wieder in sachlichem Ton: „So, jetz‘ wisse ner wie’s war“. Das wissen wir in der Tat, schön war’s, interessant, spannend beim Wolftäler Wanderdreierlei. Und sicher hat Billy noch ganz viele Geschichten für’s nächste Jahr auf Lager!



Eure Infobaum-Bloggerin

Elisabeth

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Längste Baumliege bei Todtnau
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© Kurt Haberstich